Palliativförderverein Hand in Hand Hünfeld erfüllt letzte Lebenswünsche

Ein Lächeln im Gesicht Sterbenskranker

Von Mirko Luis

 

Hünfeld, 24. Dezember 2017

Besuch im Neurocare

 

Die Augen von Angela Rauch strahlen. Dünn ist sie. Und gebrechlich. Doch auch wenn es draußen nasskalt, grau und ungemütlich ist, hellt sich ihre Stimmung plötzlich auf. Das Engagement des Palliativfördervereins „Hand in Hand“ könnte helfen, dass ihr derzeit größter Traum wahr wird.

Das Aufrichten fällt der 54-Jährigen ebenso schwer wie das Sprechen. Die gelernte Zootechnikerin und Veterianäringenieurin, die ursprünglich aus Berlin stammt und einige Zeit im Freistaat Thüringen lebte, leidet seit 24 Jahren an einer der häufigsten degenerativen Nervenkrankheiten in Deutschland: Multiple Sklerose (MS). 200 000 Betroffene gibt es nach aktuellen Schätzungen in Deutschland – sieben von zehn Patienten sind Frauen. Die entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems, die das Gehirn und das Rückenmark umfasst, ist tückisch. Macht sie sich doch anfangs nur schleichend und in Schüben bemerkbar.

Angela Rauch wurde mit Anfang 30 mit der Schock-Diagnose konfrontiert. Ihre Tochter, bis heute ihr ein und alles, lernte sie schon nicht mehr laufend, sondern mit dem Anblick der Mama im Rollstuhl kennen.

Nach einer persönlichen Pflege-Odyssee mit vielen Hoffnungen und Enttäuschungen kam Angela Rauch endlich zur Ruhe. Nach einiger Wartezeit, die sie in der Seniorenresidenz Seniana in Hünfeld verbrachte, fand die schwerstkranke Mittefünfzigerin endlich den ersehnten Platz im Fachpflegezentrum Mediana Neuro-Care Hünfeld.

„Wie im Fall von Frau Rauch, wo wir zwischenzeitlich die Kosten von zusätzlichen physiotherapeutischen Behandlungen zur Schmerzlinderung übernahmen, wollen wir vor allem schnelle und unbürokratische Hilfe leisten“, betont indes Dr. med. Ambros Greiner (66) vom Vorstand des Palliativfördervereins Hand in Hand im Gespräch mit unserer Zeitung. Der gebürtige Franke war drei Jahrzehnte lang Leitender Arzt der Station Innere Medizin der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld und trug dort zuletzt über fünf Jahre lang die ärztliche Verantwortung für die Palliativstation.

Dr. Ambros Greiner war somit einer der dienstältesten Ärzte der genannten Klinik – auch mit Ursula Winter, die unter anderem auf der Intensivstation arbeitete, hatte er hier bereits zu tun.

Dem erfahrenen Arzt Dr. Ambros Greiner zufolge leiden mehr als 80 Prozent der palliativ betreuten Patienten an einer onkologischen Erkrankung, die als medizinisch nicht beherrschbar gilt. Solche Erkrankungen können über Jahre verlaufen – ein langer Leidensweg, der oft finanzielle Einschränkungen mit sich bringt. Sei man 1971 – dem Jahr, als er sein Studium begann – beispielsweise noch davon ausgegangen, dass circa 15 Prozent der Menschen einer bösartigen Erkrankung erliegen, läge diese Zahl mittlerweile bei rund 25 Prozent.

„Die Häufigkeit von Tumorerkrankungen hat sich deutlich erhöht. Die Innovationen bei den Behandlungen, der Chirurgie und der medikamentösen Onkologie konnten mit der Entwicklung der Erkrankung trotz intensivster Forschung leider nicht Schritt halten“, bedauert Greiner in diesem Zusammenhang.


Neurocare Hünfeld - August 2019 von Bäumen und viel Grün umgeben  (Foto: privat)
Neurocare Hünfeld - August 2019 von Bäumen und viel Grün umgeben (Foto: privat)

Seit Oktober ist sie hier. Zwar hat sich an der progressiv fortschreitenden Krankheit nichts geändert. Noch immer kann Angela Rauch nicht einmal eine störende Fliege auf ihrer Haut vertreiben, weil sie komplett bewegungsunfähig ist. Doch das schreckliche Gefühl, dass sie eigentlich für alle nur eine Last ist, die viel Arbeit macht, verliert von Tag zu Tag an Kraft.  Angela Rauch fühlt sich dafür jetzt erstmals wieder geborgen. Wieder als Mensch.

„Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden“, steht auf einem Schild zwei Meter von ihrem Bett entfernt. Mark Twains berühmtes Zitat hat für MS-Kranke eine andere Bedeutung als für Menschen, die gesund sind. Diese träumen vielleicht vom nächsten Segeltörn oder dem Skirulaub in den Schweizer Bergen. Die Träume von Menschen, deren Körper ans Bett gefesselt und aufgrund von Muskelkontrakturen und -verkürzungen dauerhaft von Schmerzen traktiert wird, sind hingegen viel bescheidener. Doch oft fehlt selbst dafür Geld an allen Ecken und Enden. Und Krankenkassen sind selten in Spendierlaune.

Angela Rauch wünscht sich ein sogenanntes Galileo-Therapiegerät. Dieses Hightech-Medizinprodukt wurde ursprünglich entwickelt, um der abnehmenden Knochendichte und Muskulatur von Astronauten im All entgegen zu wirken. Mittlerweile gibt es für das wissenschaftlich erforschte Vibrationssystem noch viele breitere medizinische Anwendungsgebiete. MS-Kranke profitieren von dem Gerät, da durch den „Rütteleffekt“ wieder Muskeln aufgebaut werden können, der Stoffwechsel wieder besser in Gang kommt und sich die Durchblutung verbessert.

„Als wir Frau Rauch in der Palliativstation der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld kennenlernten, ging es ihr wirklich sehr, sehr schlecht. Da sie sich in einem absoluten seelischen Tief befand, machten wir uns es zur Aufgabe, ihr direkte Unterstützung zukommen zu lassen“, erinnert sich Ursula Winter (58), die zu den aktuell 36 Mitgliedern des „Palliativfördervereins Hand in Hand“ Hünfeld gehört. Der sei gut vernetzt, sagt die Krankenschwester und Mutter zweier Kinder. Niemand kann das besser wissen als sie, denn Winter ist Koordinatorin beim ökumenischen Hospizvereins in Hünfeld. Der ist beim DRK-Kreisverband Hünfeld angesiedelt, begleitet sterbenskranke Menschen und unterstützt deren Angehörige und Pflegende. Während der ambulante Hoszpizdienst über die entsprechenden personellen Betreuungsressourcen verfüge, bilde der Palliativförderverein Hand in Hand seit seinem Gründungsjahr im Jahr 2015 ein wichtiges ideelles und finanzielles Rückgrat der Palliativarbeit im Hünfelder Raum.

Neurocare Hünfeld im August 2019 (Foto: privat)
Neurocare Hünfeld im August 2019 (Foto: privat)

Da Krebserkrankungen sowohl Alleinstehende als auch Familien oftmals in finanzielle Bedrängnis brächten, könnte mit jedem Spenden-Euro seines Vereins an vielen Stellen konkrete Hilfe geleistet werden.

„Für manche Menschen sind 70 Euro vielleicht ein schönes Abendessen, viele Betroffene könnten mit diesem Geld ihre Erkrankung besser händeln, verdeutlicht Ursula Winter. Und sie ergänzt: „Wenn wir glauben, es ist nichts mehr zu tun, ist in Wirklichkeit noch sehr viel zu tun.“ Ihren Erfahrungen nach gebe es viele Betroffene, die sich nicht trauten, offen darüber zu sprechen, dass sie finanziell nicht mehr weiter wissen. Ein bestimmter Prozentsatz von Patienten werde ja erst durch die Erkrankung in eine Notsitation gebracht. „Dort wo Krankenkassen nicht in dem Maße einspringen, wie es wünschenswert wäre, gibt es für uns viel zu tun“, gibt sich Winter keinen Illusionen hin. Im Fall von MS-Patientin Angela Rauch werde man alles daransetzen, die vierstellige Summe für die Anschaffung des Therapiegerätes so schnell wie möglich zusammen zu bekommen.

Ebenso wichtig wie finanzielle Unterstützung sei menschliche Zuwendung. „Eine Frau, die ihrem Mann Tag und Nacht an sieben Tagen die Woche beim Kampf gegen den Krebs beisteht, muss schließlich auch mal zum Friseur – da ist es hilfreich, wenn vom Hospizdienst eine Betreuerin einspringt“, nennt Winter ein Beispiel.

 

„Fälle, in denen es uns schon gelungen ist, letzte Wünsche von erkrankten Menschen mit begrenzten Lebenserwartungen zu erfüllen, sind für alle im Verein ganz besondere emotionale Momente“, berichtet Ambros Greiner. Er kann sich beispielsweise an eine junge Frau Anfang 30 erinnern, die noch einmal das Meer sehen wollte, deren Reise man finanzierte und deren Situation bis heute stabil ist.

Bei einem Mann mit Brustfelltumor, der vor seinem Tod lange unter akuter Erstickungsnot gelitten hatte, habe man die letzte Lebensphase durch die Anschaffung eines Massagegerätes, das den Schleim auflockern konnte, erträglicher machen können.

 

MS-Patientin Angela Rauch wünscht sich zur Linderung ihrer Schmerzen ein Therapiegerät, dessen Grundidee aus der Weltraumforschung stammt. Ursula Winter und Ambros Greiner vom Palliativförderverein Hand in Hand sicherten kurz vor Weihnachten ihre Unterstützung zu. (1)


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Das Hauptaugenmerk des Palliativfördervereins Hand in Hand Hünfeld richtet sich darauf, schwer Erkrankte mit begrenzter Lebenszeit oder deren Angehörige zu unterstützen. Eine Jahresmitgliedschaft kostet 40 Euro. Spenden werden nach Angaben des Vereins verwendet für:

besondere therapeutische Angebote für Palliativpatienten

finanzielle Unterstützung von bedürftigen Patienten

besondere Pflegeaufwendungen

Öffentlichkeitsarbeit zur Verbreitung des Palliativgedankens

 

Betroffene oder Angehörige, die sich in einer besonders schwierigen Lage befinden, können sich jederzeit an den Palliativförderverein Hand in Hand, Herderring 14, 36088 Hünfeld, wenden. - Auskünfte gibt der Verein auch unter der E-Mail-Adresse pallifoerderverein.huenfeld@gmail.com.

 

Lic. rer. publ. MIRKO LUIS, Lizentiat der Publizistik (FU Berlin)

Redakteur (Auto/Reise/Immobilien/Wirtschaft und Karriere)

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Telefon: (0661) 280-653 - Mobilfunk: (0157) 876 060 18 -

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(1) Anmerkung des Palliativfördervereins:

Unser Förderverein hätte den Wunsch der Patientin gern erfüllt. Die finanziellen Mittel sind zur Verfügung gestellt worden. Aus nachvollziehbaren Gründen, die aber der Förderverein nicht zu vertreten hat (fachgerechte Bedienung, aufwendige, auswärtige Ausbildung des Pflegepersonals dafür), ist die Anschaffung des Gerätes gescheitert.

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